Heiligabend ist doch der Abend der Geschenke...
Was packen wir denn zuerst aus?
| Predigttext | 1. Tomotheus 3,16 |
|---|---|
| Kirche / Ort: | Aachen |
| Datum: | 24.12.2025 |
| Kirchenjahr: | Christvesper |
| Autor: | Pfarrer Manfred Wussow |
1. Timotheus 3,16 (Übersetzung nach Martin Luther, Revison 2017)
(Und) groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.
Abend der Geschenke
Heiligabend ist doch der Abend der Geschenke! So mancher kritischeBlick ist schon darauf gefallen.Von mir auch. Aber es fehlt etwas, wenn es nichts auszupacken gibt. Und dann die Suche vorher: Womit kann ich einem Menschen eine Freude machen? Kinder fangen zu basteln an und umgeben sich mit Heimlichkeit, die Weihnachtsmaus versteckt mal hier und mal dort und ob denn das Päckchen von Amazon noch rechtzeitig kommt, bewegt mehr als die Nachrichten im Fernsehen.
Geschenke verbinden Menschen, auch wenn alle schon alles haben. So manche Erwartung wird enttäuscht. Nicht das Richtige. Vom Falschen zu viel. Ohne Liebe. Dann kann Weihnachten sogar kippen. Weihnachten ist ein gefährliches Fest, ein gefährdetes. Da kommt so vieles hoch, was nicht ausgesprochen wird. Weihnachten kann sehr bitter schmecken. Danach geht alles so weiter. Jahresabschluss in Büros. Reklamationen in Betrieben. Umtauschaktionen in den Geschäften. Und in Kliniken und Heimen brauchen Menschen viel Kraft. Hat sich etwas geändert? Doch: was kann, was könnte unser Heiliger Abend ändern?
Weihnachten hat Paulus, um heute einmal von ihm zu reden, nicht gekannt. Er hat keinen Weihnachtsmarkt besucht, keinen Glühwein getrunken, keinen Baum aufgestellt. Er hat kein Weihnachtsgeld bekommen, kein Geschenk eingepackt und kein Weihnachtsessen gezaubert. Vermutlich würde er groß gucken, wenn er sehen würde, wie wir Weihnachten feiern, durchhetzen und aussitzen. Aber Paulus hat ein Geheimnis gekannt – das Geheimnis des Glaubens. Und das hat er feinsinnig und tiefschürfend entfaltet! Oder: fein eingepackt. Heiligabend ist doch der Abend der Geschenke!
(Predigttext: von einem anderen Menschen als dem Predigenden vorgetragen. Von der Empore? Aus der Mitte der Gemeinde? Im dunklen Chor?)
Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er – Jesus, ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit
Ein Weihnachtsbrief
Haben Sie mitgezählt? Es sind sechs Geschenke! Eins geheimnisvoller als das andere. Wir werden sie vorsichtig auspacken müssen. Zerbrechlich sind sie alle. Und wertvoll! Mit Geld nicht zu bezahlen. Keine Versicherung kommt für sie auf! Menschlich! Geistvoll! Erst den Engeln erschienen, dann den Völkern, allen Menschen. Grund für Vertrauen und Hoffnung. Gültig von Anfang an, ewig. Himmlisch!
Was packen wir denn zuerst aus? Eingepackt sieht alles gleich aus, nein, gleich versteckt, verborgen, den Blicken entzogen. Aber egal: Was immer wir auch zuerst auspacken: es ist immer der richtige Anfang. Überhaupt anfangen zu können – gehört zu diesem Geheimnis. Fangen wir bei uns Menschen an? Träumen wir von einem guten Geist? Was trägt uns denn im Leben und im Sterben? Was bleibt von den vielen Bruchstücken? Wie kann uns der Himmel aufgehen? Uns – und den vielen Menschen, die in diesem zu Ende gehenden Jahr namenlos durch die Nachrichten der Tage huschten und im Dschungel der Worte untergingen.
Paulus schreibt einen Brief an seinen Mitarbeiter und Freund Timotheus. Den beiden beschäftigt sehr, wie eine christliche Gemeinde aussieht, wie Menschen miteinander leben, worauf Christen bauen und hoffen. Vieles ist damals noch ungeordnet, manches umstritten, eigentlich alles im Fluss. Die Kirche ist noch jung. Sie steht ganz am Anfang. Von einer Institution ist weit und breit nichts zu sehen. Es gibt nicht einmal einen Festkalender. Der 24. Dezember ist ein Tag wie jeder andere und ganz bestimmt nicht Heiligabend. Bis es so weit war, vergingen Jahrhunderte. Aber: es gibt Gemeinden, kleine Gemeinden. Menschen, die von Jesus begeistert sind und ihre Hoffnungen auf ihn setzen. Und mittendrin, unvermittelt und unvorbereitet, schreibt Paulus, einem Lichtblitz gleich: „Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens.“
Auf einmal sind auch wir mitten drin. Weihnachten. In unserer Kirche leuchtet der Tannenbaum. Kerzen sind entzündet. Es wird ein schöner Abend werden! Ob alles gut ankommt, was wir uns überlegt haben? Von diesem Fest geht eine große Sehnsucht aus. Sehnsucht nach Frieden. Sehnsucht nach einer heilen Welt. Sehnsucht nach einer glücklichen Familie. Lotte Schuffenhauer (+1981) hat ein Lied von der Heimlichkeit um 1950 in der DDR geschrieben. Für kleine und große Kinder:
„So viel Heimlichkeit, in der Weihnachtszeit! Meine Puppen sind verschwunden, hab nicht mal den Bär gefunden. So viel Heimlichkeit, in der Weihnachtszeit!“
Etwas heimlich zu tun, kann sehr befremdlich sein, aber das Wort Heimlichkeit hört sich warm und zärtlich an. Vielleicht auch ein bisschen geheimnisvoll. Es liegt etwas in der Luft. Wie ein leckerer Geruch. Wenn wir dann älter werden, bekommen Kindheitserinnerungen bei vielen Menschen sogar Tränen. Die große Unruhe, die Weihnachten einhüllt und einlullt, legt sich wie ein Schutzmantel um Seelen, die frieren. Aus der Heimlichkeit wird Enttäuschung. Der Traum von der heilen Welt ist in den Herzen der Menschen gebrochen. Und sie eilen, hetzen, entgehen ihrem Leben aber nicht. Die Flucht ist aussichtslos. Aber: Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er – Jesus,ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.
Das Geheimnis der Liebe
Das Geheimnis, von dem Paulus dem Timotheus schreibt,ist das andere Wort für eine Liebe, die keiner von uns entzaubern kann. Also: für jedermann! Für jedefrau! Geheimnis ist das andere Wort für eine Liebe, die vor allem Anfang ist, aber auch kein Ende kennt. Geheimnis ist das andere Wort für eine Liebe, die aus dem Himmel kommt, aber die Erde leuchten lässt. Es ist ein offenes Geheimnis! Es geht in die Welt hinaus. Es wird von Zeitungen gedruckt, von Fernsehsender in die entlegensten Winkel der Welt ausgestrahlt, von Menschen in ausweglosen Situationen trotzig behauptet. Bis sogar der Tod erblasst.
Er, Jesus, ist einer von uns geworden! Sein Geist lebt unter uns! Die Engel wissen von ihm zu singen, Predigten in aller Welt von ihm zu erzählen. Unzählige Menschen, oft unscheinbar, vertrauen seinem Wort. Mit ihm wollen Menschen die Herrlichkeit Gottes auf ihren Gesichtern spiegeln. Jedermann! Sagt Paulus.
Wenn die Geschenke ausgepackt sind, die sechs, sehen wir Menschen uns menschlich und himmlisch zugleich, den Engeln näher als den Dämonen und in einer Liebe geborgen, die der Welt Glauben und Hoffnung beschert. Heiligabend ist doch der Abend der Geschenke!
Maria und Josef, das Kind in der Krippe
Wir denken jetzt an das Weihnachtsevangelium. Wir denken an Maria und Josef. Sie haben keinen Raum in der Herberge. In einem Stall kommt Jesus zur Welt. Engel öffnen die Nacht. Ihr Lobpreis weckt Hirten und Schafe. Wir sehen die kleine Welt in Bewegung. Einfache Menschen, abgeschriebene Menschen wollen die Geschichte sehen, die ihnen verkündigt wird. Es ist, als ob es eine Geschichte nur für sie ist! Aber die ganze Welt gerät in einen Glanz, der alle Sonnen übertrifft. Paulus verpackt in seinem Brief, sagen wir, an uns, diese Geschichte in sechs Geschenke, einzeln zu öffnen und, wenn ausgepackt, alles zu bestaunen. Paulus erzählt die Weihnachtsgeschichte als ein Geheimnis, das sich auf wunderbare Weise entfaltet. Offenbart … gerechtfertigt … erschienen … gepredigt … geglaubt … aufgenommen …
Jesus wird Mensch. Einer von uns. Fleisch. Dabei gehört er ganz auf die Seite Gottes. Er ist gerecht. Geist. Aber wir Menschen fangen jetzt zu leben an und der Geist verschmäht auch unsere Vergänglichkeit nicht. Jesus kommt zu den Engeln, zu den Völkern. Ganz vertraut. Es sind nur andere Worte: erscheinen und predigen. Aber die Engel sind jetzt nicht mehr abgehoben und die Völker nicht abgeschrieben. Eine neue Welt tut sich auf, in der Menschen und Engel nicht mehr getrennt sind und Himmel und Erde auch nicht. Jesus wird in der Welt geglaubt und erhofft, ersehnt und bekannt, dabei bekommen wir Anteil an seiner Herrlichkeit. Jetzt wird sogar die Welt herrlich. Oder, wie wir es zu Weihnachten hören: Uns geht ein Stern auf.
Kunstvoll hat Paulus die Gegensätze aufgelöst, um eine Liebesgeschichte zu erzählen: Gott lässt sich sehen und lieben, weil er einer von uns geworden ist. Er übernimmt und teilt sogar unsere Vergänglichkeit. Er wird selbst Fleisch. Und wir sehen seine Herrlichkeit! Wir sehen sie auch in der Dunkelheit. Heiligabend ist doch der Abend der Geschenke!
Wenn alles ausgepackt ist
Heiligabend ist doch der Abend der Geschenke! Ich werfe einen liebevollen Blick darauf.Es würde doch etwas fehlen, wenn es nur Dinge gäbe, die käuflich erworben, selbst gebastelt oder verschickt werden könnten. Das sind doch schöne Fragen, für dich ich ein Lächeln finde: Womit kann ich einem Menschen eine Freude machen? Wie kann ich In geistloser verstörter Zeit ein guter Geist sein? Wie können heute Engel Menschen erscheinen? Jetzt, wo ich das Geheimnis kenne. Jetzt, wo ich das Geheimnis bekenne.
Er – Jesus,hat sehr viel Ähnlichkeit mit mir. Wie aus dem Gesicht geschnitten. Sein Geist überwindet Angst und Hass, die mir ständig begegnen. Er war bei den Engeln, allen Menschenhat er Heil und Zukunft angesagt, ohne auf meine Befindlichk iten oder Grenzen Rücksicht zu nehmen. Weltweit glauben Menschen an ihn. Sie sind glücklich, dass er der Herr ist – und nicht die vielen anderen Möchtegerne und Bösewichte. Die Herrlichkeit, die ihm zuteil geworden ist, die behält er nicht für sich, die teilt er mit mir. Das ist das Geheimnis des Glaubens.
Frohe Weihnachten! Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, wird unsere Herzen und Sinne bewahren in Christus Jesus, unserem Herrn.