Predigt

Gott in Demut begegnen

Gott antwortet anders als erwartet

PredigttextHiob 42,1-6 (mit Einführung)
Kirche / Ort:Worms
Datum:28.12.2025
Kirchenjahr:1. Sonntag nach dem Christfest
Autor:Pfarrer Dr. Raphael Zager, wiss. Mitarb.

Predigttext: Hiob 42,1-6 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

Und Hiob antwortete dem Herrn und sprach: Ich erkenne, dass du alles vermagst, und nichts, das du dir vorgenommen, ist dir zu schwer. »Wer ist der, der den Ratschluss verhüllt mit Worten ohne Verstand?« Darum hab ich ohne Einsicht geredet, was mir zu hoch ist und ich nicht verstehe. »So höre nun, lass mich reden; ich will dich fragen, lehre mich!« Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen; aber nun hat mein Auge dich gesehen. Darum gebe ich auf und bereue in Staub und Asche.

Exegetische und homiletische Hinführung zum Predigttext

Der Predigttext steht am Ende der Hiobdichtung (es folgt nur noch der Abschluss der Rahmenerzählung, in die die Dichtung eingebettet ist): Nach dem langen Streit mit den Freunden, nach Klage und Anklage reagiert Hiob nun auf die Gottesreden aus dem Wettersturm. Diese Antwort ist keine Auflösung des Leidensrätsels, sondern eine Bilanz der Gottesbegegnung.

Auffällig ist: Gott erklärt sich nicht, rechtfertigt sich nicht und deutet Hiobs Leid nicht um. Stattdessen öffnet er den Blick für die Weite und Komplexität der Schöpfung – für eine Wirklichkeit, die menschliches Wissen und menschliche Moralvorstellungen übersteigt.

Hiobs Antwort greift Motive aus den Gottesreden auf und spiegelt sie zurück. Er erkennt Gottes uneingeschränkte Macht an und gesteht zugleich die Begrenztheit seiner eigenen Erkenntnis ein. Es geht ihm nicht um die Rücknahme seines Protestes, vielmehr korrigiert er seine Anmaßung, Gottes Handeln vollständig verstehen oder beurteilen zu können. Entscheidend ist der Perspektivwechsel: Am Ende stehen keine neuen Erkenntnisse über den Sinn des Leidens, am Ende steht eine Veränderung der Gottesbeziehung. Hiob ist Gott nicht nähergekommen, weil er mehr Antworten erhalten hätte, sondern weil er Gott als gegenwärtig erfahren hat. Hiob findet einen neuen Standpunkt, auf dem er sich als endliches Geschöpf annehmen kann. Das Bekenntnis zu „Staub und Asche“ markiert nicht Resignation, sondern Versöhnung mit der eigenen Begrenztheit vor Gott.

Im Anschluss an die Exegese bietet es sich auch für die Predigt an, dass sie nicht zu erklären versucht, warum Menschen leiden, sondern fragt, was geschieht, wenn gewohnte Deutungsmuster an ihre Grenze kommen. Im Zentrum steht dabei nicht Schuld, nicht Rechtfertigung und auch nicht moralische Belehrung, sondern ein heilsamer Schritt zurück: weg vom Anspruch, alles verstehen und beurteilen zu müssen.

Homiletisch eröffnet der Text einen Resonanzraum für Erfahrungen moderner Menschen in einer komplexen Welt. Viele kennen das Gefühl (ob aus der eigenen Perspektive oder in der Begegnung mit anderen), wenn mit Halbwissen, schnellen Urteilen oder moralischer Überlegenheit auf komplexe Probleme reagiert wird. Hiob ermutigt dazu, zu lernen, die eigene Perspektive zu relativieren, ohne sich selbst aufzugeben.

Im Kontext des 1. Sonntags nach dem Christfest gewinnt der Text nochmal eine andere Dimension. Der Gott, der Hiob in seiner Souveränität begegnet, ist derselbe Gott, der sich im Kind in der Krippe verletzlich zeigt. So lässt sich Hiobs Erkenntnis ausweiten: Gottes Größe zeigt sich nicht nur in Macht und Unverfügbarkeit, sondern auch in Nähe und Hingabe.

Ein weihnachtlich gelesener Hiob animiert dazu, dass Menschen ihre Begrenztheit annehmen, sich trösten lassen und Gott Raum geben, größer zu sein als ihre Vorstellungen. Nicht das letzte Wort über den Sinn des Leids in der Welt wird gesprochen, wohl aber ein Wort über Vertrauen, Demut und die Freiheit, nicht alles erklären zu müssen.

Schlagworte

Selbstzurücknahme, Gottesbegegnung, Trost, Demut, Theodizee

Lektürehinweise

Markus Witte, Das Buch Hiob (Das Alte Testament Deutsch 13), Göttingen 2021.

Alexander Fischer, Exegese kompakt: Hiob 42,1-6. Einen Schritt zurücktreten u. Katharina Krause, Praktisch-theologische Resonanzen (URL: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/500161) Liedvorschläge

„Ich steh an deiner Krippen hier“ (EG 37) „Es wird nicht immer dunkel sein“ (EG+ 4)

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Heinz Janssen
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